Am Samstagmorgen (16.07.2016) stand ich um halb sieben mit hunderten von anderen Startern an der Startlinie in Grindelwald. Insgesamt waren 800 Starter für diese Distanz zugelassen. Es gab zwei Startblöcke. Einmal für die Läufer, die ihre Zielzeit unter 10 Stunden erwarteten und einmal für die, die länger als 10 Stunden brauchen werden. Ich hatte mich vorsichtshalber in der zweiten Gruppe angemeldet. Pünktlich um 7 Uhr fiel der Startschussund es ging los auf eine atemberaubende Laufstrecke. Wir hatten max. 14 Stunden Zeit, also bis abends um 21 Uhr, um wieder in Grindelwald im Ziel anzukommen. Unser erster Anlaufpunkt war der Pass „Grosse Scheidegg“ auf 1.962 m. Grindelwald selber liegt auf 1.034 m Höhe. Also schon mal schön bergauf durch eine Wiesen- und Waldzone, später auch schon Gestein. Dort angekommen, hat man die ersten 8 km geschafft. Von dort oben aus hat man einen superschönen Rundumblick auf beide Talseiten. Nach einer kurzen Verpflegungspause liefen wir weiter über satte grüne Wiesen, vorbei an grasfressenden Kühen. Nächster wichtiger Punkt war die Bergstation „First“ auf 2.184 m, die wir über den neuen First Cliff Walk by Tissot, ein Gipfelrundweg aus einer 40 m langen Ein-Seil-Hängebrücke, erreichten. Hier gab es das erste Zeitlimit mit 10:30 Uhr, also nach dreieinhalb Stunden Laufzeit musste man hier vorbei sein. Wenn nicht, wird man aus dem Rennen genommen und man muss seine Startnummer abgeben. Ich war mit 03:06 Std. noch gut in der Zeit. Bis hier hin hat man ungefähr 13,5 km hinter sich gebracht. Der Weg war inzwischen steiniger geworden. An ersten Schneefeldern sind wir vorbei gelaufen. Daneben viele kleine blühende, bunte Blümchen. Winter und Frühling / Sommer direkt nebeneinander. Weiter ging die Strecke zum malerischen kleinen Bergsee „Bachalpsee“, Höhe 2.265 m. ü. M. Gegenüber immer der versprochene, atemberaubende Anblick auf die 4.000er Bergriesen Eiger, Mönch und Jungfrau. Am See vorbei, ging es weiter über Felsen und Gestein in Richtung Faulhorn, dem höchsten Punkt der Strecke. Vorher kamen wir noch an der Verpflegungsstation „Feld“ vorbei. Diese sollte man um 12 Uhr passiert haben. Zu dieser Station ging es auch wieder etwas bergab, wieder zurück auf etwa 2.100 m Höhe. Etwas Erholung für die nun kommende Passage.

Ja, und dann kam der anstrengendste Teil der Strecke. Der Aufstieg zum Faulhorn auf 2.681 m.ü.M. Da es tatsächlich einige Tage vor dem Traillauf geschneit hatte, mussten wir durch Schnee dort hinauf und auch später wieder runter! Der Veranstalter hatte tags davor extra ein Team mit mehreren Leuten hinauf geschickt, um uns Läufern Wege zu bereiten, damit wir einigermaßen dadurch kamen. Dieser Anstieg mit Traillaufschuhen und Trailstöcken war mein anstrengendster bisher überhaupt. Der Schnee war rutschig, darunter teilweise Geröll, teilweise schon vermatscht von den Läufern vor uns. Wir sagten uns „Egal, wir müssen da jetzt hoch, Schritt für Schritt“. Das Ziel ganz oben auf dem Berggipfel konnten wir von manchen Stellen aus schon sehen. Es sah gar nicht so weit aus. Aber es ging in Serpentinen immer weiterbergauf. Gelaufen ist hier wohl keiner mehr. Während ich so langsam immer weiter bergauf schritt, merkte ich ein bisschen die dünner werdende Luft. Und mir fiel ein, dass ich jetzt schon stundenlang unterwegs war und das auch noch unter Anstrengung – ich könnte mal eine Kleinigkeit essen. So verputzte ich zwei meiner Riegel und eines der Gels. Ungefähr zwanzig Minuten vor der Cutoff-Zeit war ich oben am Faulhorn angekommen. Es war demnach 13:25 Uhr. Angekommen auf dem höchsten Punkt der Strecke, 2.681 m.ü.M. und damit auch knapp die Hälfte der Kilometer geschafft! Und was für ein Ausblick! Blauer Himmel mit ein paar weißen Wolken. Auf der einen Seite wieder die 4.000er in der strahlenden Sonne und auf der anderen Seite der Blick runter nach Interlaken und über den türkisen Brienzer- und den Thunersee. Was für ein Glück! Was für eine traumhaft schöne Landschaft, teilweise in weiß gezuckert. Wahnsinn! Auf dem Faulhorn steht das älteste Berghotel der Alpen, es wurde 1832 eröffnet (siehe Wikipedia). Dieses Gefühl, es bis hier oben geschafft zu haben, beflügelte mich. Es war wirklich nicht einfach gewesen. Mir war aber während des Anstieges aufgefallen, dass ich die frische, klare Luft als sehr angenehm empfunden habe. Immer wieder wehte mal ein kühler, aber nicht zu kalter Wind. Das war genau das richtige Wetter für mich. Sonnenschein, aber nicht heiß, sondern kühl erfrischend. Während es unten im Tal an diesem Tag richtig warm war, ich meine 25 Grad und mehr. Ich war morgens mit einem Langarmshirt und einem Kurzarmshirt darüber gestartet. Und das behielt ich auch bis ins Ziel so bei.

Am Faulhorn hielt ich mich nur ein paar Minuten auf, trank etwas und dann ging es wieder bergab. Das erwies sich auf den ersten Metern ab als ziemlich schwierig. Über recht hohe Felsen mit Schnee mussten wir klettern, um wieder auf einen verschneiten Trail zu kommen. Als das überwunden war, ließ ich die Beine rollen über den Schnee, das machte richtig Spaß!Auf einem längeren flachen Stück hielt ich nochmal an und genoss den herrlichen Rundumblick, zu schön, um an diesem Erlebnis einfach vorbeizulaufen. Wann komme ich da nochmal hin? Also aufsaugen und genießen.

Dann ging es immer weiter bergab über tieferen Schnee als beim Aufstieg. An vielen Stellen sind wir nur noch runtergerutscht anstatt zu laufen. Das war mächtig spaßig. Bis auf die Höhe von ungefähr 2.100 m, dann wurde der Schnee wieder weniger, die Felsen und Steine übernahmen wieder den Untergrund, bis sich dann irgendwann ab km 30 ca. die grünen Wiesen der Schynigen Platte breit machten. Eine andere wunderschöne Welt mit bunten Blumenteppichen, ausgetretenen Kuhpfaden, über die wir liefen. Und immer wieder das tolle Bergpanorama vor dem blauen Himmel, das sich von seinen schönsten Seiten zeigte. Der Verpflegungsstand „Schynige Platte“ befindet sich bereits etwas unter der Höhe von 2.000m, was hieß, dass wir noch ungefähr 1.000 Höhenmeter runter mussten. Das kann auch sehr anstrengend sein, besonders für die Knie und die vorderen Oberschenkel. Ungefähr auf 1.500 m Höhe fing die Waldzone wieder an. Und das ganze Stück bis runter nach Burglauenen empfand ich als technisch schwierigste Passage. Denn hier im Wald herrschte ein feuchter Untergrund, die Sonne kommt hier nicht so gut hin, der Untergrund besteht aus Wurzeln, Steinen, Tannennadeln und –zapfen. Einmal bin ich auf einer schrägen, großen und nassen Steinplatte ausgerutscht und bin seitlich hingefallen. Gott sei Dank ist nichts passiert. Und der tiefe Abhang war hier auch noch nicht. Der kam aber etwas später. Dort bin ich dann abernicht mehr gelaufen, das war mir definitiv zu gefährlich. Der Trail war so schmal, ein falscher Schritt... und Abflug.


Ein ordentlicher Anstieg kam dann noch mal bei km 39. Der wurde aber belohnt mit einem tollen Wasserfall mit klarem, kaltem Bergwasser. Dann konnten wir irgendwann wieder über grüne Kuhweiden laufen. Und schließlich hatte uns bei km 45 die Zivilisation wieder. Wir erreichten Burglauenen, wo es den letzten Verpflegungsstand für uns gab. Nochmal kurz aufgetankt und kleine leckere Häppchen wie Wassermelone und Erdnüsse genossen. Und dann waren es nur noch 6 km bis zum ersehnten Ziel in Grindelwald. Die Luft war spürbar wärmer im Tal, aber weit war es ja jetzt nicht mehr. Was nur seltsam war: auf einmal merkte ich meine Fußsohlen, sie brannten höllisch. Ob das an dem jetzigen harten Asphaltuntergrund lag, der uns größtenteils bis Grindelwald begleitete? Oder einfach nur die Bergab-Kilometer? Die Füße waren durch den Schnee und Matsch leicht nass geworden. Und dann bergab, das weicht die Füße auf. Und dann der harte Belag. Ich dachte nur: „Gut, dass ich nur noch 6 km zu laufen habe und nicht wie die Läufer des E101 noch 50 km!“


Wir liefen also Richtung Grindelwald. Gemein ist ja, dass man, um zum Ziel zu kommen, im Ort nochmal schön so richtig bergauf laufen muss. Ich konnte die steilen Meter nicht mehr rennen und bin gegangen. Jeder Schritt tat unter den Füßen weh. Aber die Zuschauer im Ort feuerten einen so an mit klatschen und Zurufen, das ich mir ein Herz fasste und die letzten 200 Meter doch noch ins Ziel gelaufen bin. Auf die legendäre Holzbrücke, auf der anderen Seite wieder steil runter, ich hörte, wie der Moderator meinen Zieleinlauf mit Namen etc. ankündigte, über den roten Teppich, da sah ich meine Mädels, die auf mich gewartet hatten, Freude, durch den Zielbogen... gefinished nach 12 Stunden und 31 Minuten. Total happy und erleichtert! Ich bin eine Finisherin des E51! Es war 19:30 Uhr. Meine Startnummer war die 1730. Diese Uhrzeit habe ich leider nicht geschafft, Zielzeit 10:30 Std. – vielleicht beim nächsten Mal. Ohne Fotos und Videos machen, ohne zu Genießen. Aber ob ich das will bei einem so wunderschönen Laufevent?


Von den 800 gemeldeten Startern/Starterinnen stehen 638 in der Wertungsliste.